Die Teilchenphysik erforscht die grundlegenden Bausteine der Materie und ihre Wechselwirkungen, die den Aufbau der Materie unseres Universums bestimmen. Das Webportal macht die faszinierende Forschung einer interessierten Öffentlichkeit verständlich.mehr

Bild: ESO, R. Fosburymehr

Antiwasserstoff-Atome in Sicht: GBAR bringt Antimaterie-Forschung einen wichtigen Schritt weiter

Positronen: in ihrer Wolke. Antiprotonen: erzeugt. Entschleunigung: geschafft. Verbindung: bestätigt! Das Antimaterie-Experiment GBAR hat kürzlich eine Studie veröffentlicht, in der es über die ersten nachgewiesenen Antiwasserstoff-Atome berichtet. Das ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zum ultimativen Ziel der Antimaterie-Forschung: dem Grund für die Asymmetrie zwischen Materie und Antimaterie auf die Spur zu kommen.

ETH scientists Christian Regenfus and Philipp Blumer in front of the GBAR experiment at the antimatter factory at CERN.
Bild: Sarah Geffroy

Muss wirklich alles, was hochgeht, auch wieder runterkommen? Wir wissen, dass Dinge, die wir in die Luft werfen, wegen der Schwerkraft wieder auf die Erde fallen. Aber würde dasselbe auch mit Antimaterie passieren? Es gibt einige Experimente auf der Welt, die versuchen, dies herauszufinden. Das GBAR-Experiment am CERN in Genf ist eines davon. Wenn es tatsächlich zu dem Ergebnis kommt, dass sich Antimaterie und Materie im freien Fall unterschiedlich verhalten, könnte das eine mögliche Antwort auf die Frage liefern, wo die Antimaterie geblieben ist. Physiker:innen vermuten, dass der Schlüssel dazu in einem winzigen Unterschied zwischen Materie und Antimaterie liegt. Die beiden sind identisch, abgesehen von ihren entgegengesetzten Quantenzahlen, z. B. ihrer Ladung. Die Untersuchung von Antimaterie in Gravitation ist einer von vielen Ansätzen zur Suche nach dem kleinen Unterschied.

Doch bevor die GBAR-Kollaboration von rund 50 Wissenschaftler:innen aus Frankreich, der Schweiz, Japan und einigen anderen Ländern diese zentrale Frage der Teilchenphysik überhaupt in Angriff nehmen kann, müssen sie eine Reihe von anspruchsvollen technischen Hürden überwinden. Eine davon haben sie soeben gemeistert, wie sie in dieser Veröffentlichung berichten: Sie haben ihre ersten eigenen Antiwasserstoffatome hergestellt und nachgewiesen.

Während Wasserstoff aus einem Proton und einem Elektron besteht, setzt sich Antiwasserstoff aus deren Antiteilchen zusammen: einem Antiproton und einem Positron. Der erste Schritt zur Herstellung von Antiwasserstoff besteht also darin, seine Bestandteile zu erzeugen. Für die Positronen von GBAR werden Elektronen mit einer Energie von neun Millionen Elektronenvolt (MeV) aus einem Linearbeschleuniger auf ein Wolframtarget geschossen. Dabei entstehen Positronen, die zunächst in einer Reihe von elektromagnetischen Fallen aufgefangen, abgekühlt und dann auf eine Schicht aus nanoporösem Siliziumdioxid geleitet werden. Dabei entstehen so genannte Positronium-Atome, eine Verbindung aus einem Positron und einem Elektron.

Die andere Antiwasserstoff-Komponente sind die Antiprotonen. Sie erreichen GBAR mit Hilfe des ELENA-Rings: dem Extra Low ENergy Antiproton Ring, der mit dem Antiproton Decelerator AD am CERN verbunden ist und Antiprotonen auf bis zu 100 Kiloelektronenvolt (keV) abbremst. Je niedriger ihre Energie ist, desto besser können die Forschenden sie untersuchen. Mit 100 keV sind die Antiprotonen allerdings immer noch zu energiereich für die Anforderungen von GBAR. Deshalb werden die Antiprotonen mit Hilfe einer Driftröhre innerhalb des GBAR-Experiments von 100 keV auf Energien unter 10 keV abgebremst, damit sie eingefangen und zu Antiatomen zusammengesetzt werden können. Wenn ein Antiprotonenstrahl auf die Positronium-Atomwolke trifft, können Antiprotonen und die Positronen aus der Wolke Antiwasserstoff bilden, der dann im GBAR-Detektor gemessen wird. Ende 2022 hat die Kollaboration etwa zwanzig Antiwasserstoffatome nachgewiesen.

"Dies ist ein wichtiger Schritt, aber nur der erste von vielen", sagt Paolo Crivelli von der ETH Zürich. "Um irgendwann Antiwasserstoff im freien Fall zu untersuchen, müssen wir zuerst positiv geladene Antiwasserstoff-Ionen mit zwei Positronen erzeugen. Sie müssen eine Ladung haben, damit wir sie in einem elektrischen Feld einfangen und abkühlen können, bevor wir sie in neutrale Antiwasserstoffatome umwandeln. Um diese Ionen zu erzeugen, müssen wir die Anzahl der Positronen und damit die Dichte der Positroniumwolke drastisch erhöhen. Das System läuft gut, aber wir sind noch nicht ganz auf dem erforderlichen Stand der Technik." Er geht davon aus, dass dies noch ein paar Jahre dauern wird.

Die positiven Antiwasserstoff-Ionen sind ein wichtiger Teil des Experiments, denn im Gegensatz zu den neutralen Antiatomen, die experimentell sehr schwierig zu handhaben sind, hofft man, ihre Energie so weit reduzieren zu können, dass sie praktisch im Ruhezustand sind. Dies ermöglicht eine detaillierte Untersuchung des Antiwasserstoffs im freien Fall - jede zusätzliche Anfangsgeschwindigkeit führt zu einer Ungenauigkeit im Experiment. Um dies zu erreichen, muss das Team zunächst die Produktion von Anti-Atomen erhöhen, was durch den Einbau von Teilchenfallen zur Erhöhung der Teilchendichte und die Optimierung der Positronenproduktion erreicht werden soll. Die abschliessende Messung wird mit einem Laserpuls erfassen, wann der Fall des Antiwasserstoffs beginnt. Das Ende des Falles wird durch das Signal bestimmt, das entsteht, wenn das Antiproton die Wände der Vakuumkammer erreicht und mit einem Proton annihiliert. "Dies wird es uns ermöglichen, die Flugzeit und damit die Beschleunigung des Antiwasserstoffs durch die Schwerkraft zu rekonstruieren und sie mit der Beschleunigung von Wasserstoff zu vergleichen. Wir sollten bei diesem Vergleich eine Genauigkeit von 1% erreichen", erklärt Crivelli.

In der Zwischenzeit werden die GBAR-Wissenschaftler:innen jedoch weiterhin nach winzigen Unterschieden zwischen Wasserstoffmaterie und -antimaterie suchen. Die Lamb-Verschiebung, die anomale Energiedifferenz zwischen zwei Elektronenbahnen des Wasserstoffatoms, ist ein Effekt, der gut erforscht ist und für Wasserstoffatome im Detail untersucht wurde. Wird sie bei Antiwasserstoff genauso sein? Die Kollaboration meint, dass ihr System für diesen Test sehr geeignet ist, und zwar mit sehr hoher Genauigkeit. Die ersten Ergebnisse werden für 2024 oder 2025 erwartet.

Author: Barbara Warmbein

Wenn Sie bei dem Wort Positronium hellhörig geworden sind und mehr darüber wissen möchten, gibt es hier mehr über die Studien zu Myonium – ein weiteres Thema, an dem Paolo Crivelli und seine Kollegen arbeiten: https://www.psi.ch/en/science/scientific-highlights/making-sense-of-the-muons-misdemeanours

GBAR steht für "Gravitational Behaviour of Antihydrogen at Rest" (Gravitationsverhalten von Antiwasserstoff in Ruhe). Das Experiment befindet sich in der "Antimaterie-Fabrik" des CERN, der Antiproton Decelerator Hall. Es wurde 2018 in Betrieb genommen.

Detected! A picture of an antihydrogen atom candidate seen by GBAR’s micro channel plate detector MCP.
Detected! A picture of an antihydrogen atom candidate seen by GBAR’s micro channel plate detector MCP.Bild: GBAR collaboration

Kategorien

  • Elementarteilchenphysik